Hauptinhalt
Topinformationen

Am Schwanz oder im Tunnel? Umfassende Studie zum tiergerechten Umsetzen von Mäusen
Wenn Tiere in der Forschung eingesetzt werden, sollten sie dabei so wenig Belastung wie möglich ausgesetzt sein. Doch bereits Routinepraktiken können mitunter Stress auslösen. Deshalb sind Forschende bemüht, möglichst schonende Methoden für den Umgang mit Versuchstieren zu identifizieren. In einer aktuellen Studie haben Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler der Abteilung Verhaltensbiologie eine alltägliche Praxis in der Arbeit mit Mäusen in den Blick genommen: das „Handling“ der Tiere, also das Umsetzen.
14.07.2025
Wenn Mäuse im Laboralltag in einen frischen Käfig oder eine Verhaltenstestapparatur gesetzt werden sollen, geschieht das klassischerweise in Form des sogenannten „Schwanz-Handlings“: Die Tiere werden dabei vorsichtig in der Mitte des Schwanzes gefasst, auf den Handrücken oder den Unterarm des Experimentators oder der Experimentatorin gesetzt und am Zielort wieder losgelassen. Seit einigen Jahren wird auch eine alternative Methode verwendet. Dabei leitet man die Maus zunächst in eine Plastikröhre und befördert sie darin anschließend von A nach B. Dieses als „Tunnel-Handling“ bezeichnete Verfahren soll angeblich mit weniger Stress für die Mäuse einhergehen. Doch gilt diese Aussage tatsächlich uneingeschränkt? Dieser Frage ist ein Forschungsteam um Dr. Neele Meyer und Prof. Dr. Chadi Touma in einer aktuellen Untersuchung auf den Grund gegangen.
Auswirkungen von routinemäßigem Schwanz- und Tunnel-Handling
„In den letzten Jahren gab es einige Studien, die beide Handling-Methoden miteinander verglichen haben. Darin wurden die Tiere aber meist ungewöhnlich häufig und relativ lang gehandelt, was nicht der Routine einer Versuchstierhaltung entspricht“, erklärt Neele Meyer. „Außerdem wurden oft nur bestimmte Verhaltensänderungen der Tiere betrachtet, während die physiologische Stressantwort außer Acht gelassen wurde. In unserer Studie wollten wir daher sowohl die relevanten verhaltensbiologischen als auch die physiologischen Aspekte in den Blick nehmen, um eine umfassende und wissenschaftlich fundierte Beurteilung der beiden Handling-Methoden zu ermöglichen, wenn sie routinemäßig angewandt werden.“
Zu diesem Zweck hielten die Forschenden männliche und weibliche Mäuse, die sie über einen Zeitraum von zehn Wochen beim wöchentlichen Käfigwechsel unterschiedlich transportierten: die eine Hälfte mittels Schwanz-Handling, die andere Hälfte mittels Tunnel-Handling. Anschließend untersuchten sie das Erkundungsverhalten und die Ängstlichkeit der Tiere, ihr Sozialverhalten und ihre Reaktion auf eine menschliche Hand in ihrem Käfig. Zusätzlich maßen sie Stresshormonkonzentrationen und erhoben weitere physiologische Daten, um Rückschlüsse auf mögliche Stressbelastungen zu ziehen, die die Tiere erfuhren.
Keine konsistenten Unterschiede zwischen den Versuchsgruppen
Was fanden die Forschenden heraus? Tatsächlich ergaben sich weder in Bezug auf das Verhalten der Mäuse noch in Bezug auf ihre Stressphysiologie eindeutige Unterschiede zwischen den beiden Versuchsgruppen.
„Das zeigt, dass sich ein routinemäßiges Handling von Mäusen am Schwanz bzw. im Tunnel nicht konsistent unterschiedlich auf wohlergehensrelevante Verhaltensweisen und physiologische Stressparameter auswirkt und somit beide Methoden für ein tiergerechtes Umsetzen der Mäuse geeignet sind.“, so Chadi Touma. „Durch unsere Studie konnten wir insofern auch belegen, dass es sehr wichtig ist, neue Verfahren und Vorschläge zur Verbesserung von versuchstierkundlichen Methoden intensiv zu prüfen – und mit Blick auf das Tierwohl sowohl das Verhalten als auch die physiologischen Reaktionen umfassend einzubeziehen.“
Studie als Referenzpunkt für künftige Untersuchungen
Die Forschenden hoffen, dass ihre umfassende Studie künftig als Referenzpunkt dient und dazu beiträgt, Qualitätsstandards für eine wissenschaftlich aussagekräftige Erfassung des Tierwohls in der Versuchstierkunde zu etablieren. Auch in Bezug auf das Handling von Mäusen haben sie weitere Ideen. So könnten sie sich unter anderem vorstellen, dass in zukünftigen Studien weitere Handling-Methoden untersucht werden – wie etwa ein berührungsfreies Tragen der Tiere mit Hilfe von Papphäuschen, die als Unterschlupf im Heimatkäfig angeboten werden.
Publikation: Meyer, N.; Gottschalk, R.; Jakobi, L.; Schönhoff, A.-M. & Touma, C. (2025): Lack of evidence for a consistent differential impact of tail and tunnel handling on markers of welfare in laboratory mice. Scientific Reports 15.