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Prof. Dr. Renate Scheibe
Universität Osnabrück
Fachbereich Biologie
Raum 35/E20
Barbarastraße 11
49076 Osnabrück
Germany

Phone: +49 (0)541 969 2284
Fax: +49 (0)541 969 2265
E-mail: scheibe@uos.de

Willkommen auf der Website von Prof. Renate Scheibe, ehemals Leiterin der Abteilung für Pflanzenphysiologie der Uni Osnabrück

Alle Organismen, besonders Pflanzen mit ihren photosynthetisch aktiven Zellen, operieren zwischen starker Reduktionskraft und oxidativem Stress. Sie passen ihre zellulären Aktivitäten (zum Beispiel bei Tag und bei Nacht oder bei wechselndem Energiebedarf) permanent an sich wechselnde Bedingungen an und reagieren auf jede Veränderung mit geeigneten Anpassungsmechanismen, um die Redox-Balance zu erhalten.

Redoxkontrolle auf verschiedenen Ebenen und Zeitskalen: Anpassung an ständig wechselnde Bedingungen

Pflanzen sind in der Lage, die für ihre Funktion und ihr Wachstum notwendigen Informationen aus ihrer Umgebung wahrzunehmen, zu verarbeiten und darauf zu reagieren. Vielfach äußert sich Stress in einer Verschiebung des zellulären Redox-Zustands, was gleichzeitig als Signal für die Induktion von Schutzmechanismen dient und sowohl Stoffwechsel als auch Entwicklung beeinflusst, um alle Lebensprozesse an die veränderten Bedingungen anzupassen.

Durch veränderte Umweltbedingungen, aber auch bei Entwicklungsprozessen oder biotischem Stress, kommt es häufig zur Veränderung des zellulären Redox-Gleichgewichts. Dadurch werden über noch nicht im Einzelnen identifizierte Signaltransduktionswege Änderungen der Genexpression ausgelöst, die letztlich zur Etablierung des neuen Fließgleichgewichts beitragen. Eine Übertragung von Signalen, die aus einem veränderten Redoxstatus resultieren, könnte – analog zu Proteinphosphorylierungskaskaden – über Redox-Kaskaden vom Ort der Entstehung (z.B. den Chloroplasten oder den Mitochondrien) bis zum Zielort (z.B. im Kern) von statten gehen.

Retrogrades Redox-Signal vom Chloroplasten zum Kern: Die veränderte Genexpression der kernkodierten NADP-MDH erfolgt als Antwort auf ein Signal aus den Chloroplasten, wenn bei Stress eine Verschiebung des Redox-Status eintritt.

Die Abbildung zeigt schematisch, wie über das »Malat-Ventil« in grünen Blättern überschüssige Elektronen (NADPH) aus den photosynthetischen Lichtreaktionen in Form von Malat aus den Chloroplasten exportiert werden, um Überreduktion und Bildung von ROS (reaktive Sauerstoffspezies) zu vermeiden. Das dafür verantwortliche Enzym, die NADP-abhängige Malatdehydrogenase (NADP-MDH) ist unter starker Redoxkontrolle, sowohl auf post-translationaler Ebene (Licht/Dunkel-Modulation), als auch auf Transkriptionsebene (retrogrades Redox-Signal an den Kern). Retrogrades Redox-Signal vo den Chloroplasten zum Kern: Die veränderte Genexpression der kernkodierten NADP-MDH erfolgt als Antwort auf ein Signal aus den Chloroplasten, wenn bei Stress eine Verschiebung des Redox-Status eintritt.

Transgene Pflanzen mit einer T-DNA-Insertion im Gen der NADP-MDH scheinen überraschenderweise unverändert gegenüber dem Wildtyp zu sein. Wie sich bei der funktionellen Charakterisierung dieses »knockout« zeigte, werden mehrere alternative Wege zum Abbau von Überreduktion in den Chloroplasten hochreguliert, um den Defekt auszugleichen. Derartige Analysen ermöglichen die Identifikation weiterer molekularer Mechanismen zur Erhaltung der Redox-Homöostase.

Pflanzen benötigen Faktoren aus der Umwelt für ihr photoautotrophes Wachstum, jedoch sind sie durch ihre sessile Lebensweise Abweichungen vom Optimum ausgeliefert. Anpassung an sehr unterschiedliche Bedingungen ist ihnen aber möglich, da pflanzliche Individuen eines Genotyps durch entsprechende Veränderung ihrer Reaktionsnorm eine hohe phänotypische Plastizität aufweisen. Alle Informationen werden integriert und über ein hochflexibles Netzwerk weitergeleitet und realisiert. Die Reaktionen der Pflanzen spielen sich auf allen Regulationsebenen ab und umfassen sowohl sehr schnelle biophysikalische und biochemische Prozesse im Sekunden- und Minutenbereich wie zum Beispiel die Licht/Dunkelmodulation von Chloroplastenenzymen, als auch mittel- und langfristige Reaktionen, die sich nach Stunden (Genexpression) oder erst nach Tagen (Wachstum) auswirken. In allen Bereichen spielen Redox-Prozesse eine bedeutende Rolle.

Rückblick und Ausblick

Die Arbeitsgruppe von Prof. Scheibe hat über Jahre hinweg Redox-Modifikationen an Proteinen auf molekularer Ebene studiert. Diese Arbeiten wurden zunächst an Pflanzen, die ihre Energie aus Sonnenlicht gewinnen, durchgeführt. Sie müssen ihren Stoffwechsel an die großen Intensitätsschwankungen des Lichts und andere Umweltfaktoren anpassen und sich gleichzeitig vor einem Übermaß an potentiell schädlicher Energie schützen. Die Redox-Chemie ist somit maßgebliche Grundlage für den pflanzlichen Metabolismus, was schon seit mehr als 50 Jahren intensiv untersucht wird. Die vier Autoren eines Übersichtsartikels in Biochim. Biophys. Acta sind die sogenannten Dinosaurier der Redoxforschung, also diejenigen, die von Anbeginn bis heute noch aktiv an der Thematik arbeiten: “Fifty years in the thioredoxin field and a bountiful harvest”. Frau Scheibe, eine der vier Autoren dieses Rückblicks auf die Historie der Redox-Forschung, untersucht dieses Phänomen seit ihrer Doktorarbeit, als sie 1975 fasziniert wurde durch die kurzfristigen Änderungen des Aktivierungszustandes von pflanzlichen Enzymen. Die Feinregulation von Schlüsselenzymen, die die Grundlage für die lichtabhängige Synthese von Biomasse in den photoautotrophen Pflanzen sind, ermöglicht ein geniales, sehr flexibles System für das Wachstum von Pflanzen, das sich auch an suboptimale Bedingungen und Stress anpassen kann (Siehe Übersichtsartikel in Trends in Plant Sciences: „Small molecules govern thiol-redox switches“).

In den letzten Jahren wurden aber in der Arbeitsgruppe von Renate Scheibe und auch zunehmend in anderen Gruppen Hinweise auf eine darüberhinausgehende, nachhaltige Anpassung durch Moonlighting gefunden, und dies nun tatsächlich nicht nur bei Pflanzen, sondern in allen anderen Organismen, so zum Beispiel in Hefe und in Säugetierzellen, die alle über die Redox-Kontrolle gesteuert werden. Bei Ungleichgewichten leiten auch sie in ihren Zellen das Moonlighting der zentralen Player des Energiestoffwechsels ein, das zu Anpassung, verstärktes Wachstum oder Zelltod führen kann. Sehr viele neurogenerative Krankheiten, unkontrolliertes Zellwachstum oder auch Stammzellaktivität können mittlerweile auf diesen grundlegenden Mechanismus zurückgeführt werden.